,                       

 

               Home      Bezirksindex      Sachindex      Personenindex                    Berlin Bibliothek     Literarisches Berlin                   Wir über uns  

     
 
 


Berlinführer (mit Brandenburg) -  Kunst und Architektur -  Belletristik -  Zeitgeschichte

 

                  R E Z E N S I O N E N


 

 

 



 

Martin Mühlhoff und Christian Vossiek

Missing Synagogues:
Sechsundvierzig Ansichten in Berlin.

Kerber Verlag, 2011


Die menschenleeren Fotos erstaunen durch ihre Alltäglichkeit. Nicht Ruinen oder Denkmäler, sondern mehrheitlich Reihenhäuser von Neubausiedlungen aus der Nachkriegszeit, Brachland oder Park- und Spielplätze füllen die Lücken, die der Holocaust in eine Stadt mit einst reichem, jüdischem Leben gerissen hat. Bildhaft deutlich wird dies an der ehemaligen Synagoge der Gemeinde Adass Jisroel in der Tucholskystraße 40. Die Brandwand des Nachbargebäudes, die auf die immer noch provisorischen Bauten der wieder bestehenden Gemeinde weist, gibt durch Schwärzung des Backsteins die Konturen des einstigen Synagogengiebels zu erkennen.
Im vorangestellten Grußwort des Präsidenten des Zentralrats der Juden zitiert dieser den Ausspruch Heinz Knoblochs: „Misstraut den Grünflächen!“. Beim Durchblättern des Katalogs stellt sich eine Ahnung ein, was damit gemeint sein könnte.
Man schwankt zwischen Beklemmung und Erstaunen, wenn man neben den kurzen Daten zur Zerstörung der einzelnen Synagogen während der Reichspogromnacht oder während des Krieges, die Daten und die Fotos zu ihrem späteren Abriss sieht. Viele dieser Ruinen wurden erst lange nach Kriegsende vollständig entfernt, so als hätte man die Geschichts- und potentiellen Denkmalsorte aus der Stadtlandschaft tilgen wollen.
Die Arbeit der beiden Fotografen, die die Synagogenorte aufgesucht haben und ihre Abbildungen unkommentiert an den Betrachter weitergeben, zwingt zu wirklicher Befassung mit der Vergangenheit. Die Fotografien sprechen nicht den Intellekt an, der Vergangenes allzu leicht in weite Ferne rückt. Sie überbrücken die zeitliche Distanz durch die örtliche Kontinuität. Heutige Alltagsorte, die Orte des Glaubens waren und dann zu Orten des Schreckens und der Zerstörung wurden, wirken mit ihrer banalen Bebauung wie ein erneutes Wegschauen. Darauf den Finger zu legen, heißt Erinnerung am Leben erhalten.
Der Katalog, der zur gleichnamigen, anlässlich der Jüdischen Kulturtage NRW 2011 stattfindenden  Ausstellung im Marta Herford Museum entstand, stellt sechsundvierzig Berliner Orte vor, an denen einmal Synagogen standen. (hkl)



 


              

 

 
     
 
 

                                                                                             Nächste Rezension