Dorothea Zöbl
Leben am Kurfürstendamm.
100 Jahre Geschichte und Geschichten
um die Mietshäuser Kurfürstendamm 48-50
Gebr. Mann Verlag Berlin, April 2011
Kurfürstendamm 48-50a ist ein repräsentativer Eckhauskomplex am neu
gestalteten George-Grosz-Platz und ein würdiger Zeuge zum
125-jährigen Jubiläum des Boulevards. An diesem Häuserblock und
seinen Bewohnern veranschaulicht die Autorin den Wandel des
ländlichen Charlottenburger Sträßchens inmitten von Ackergrün zur
bürgerlichen Prachtstraße der Reichshauptstadt.
Der Bau entsteht um 1900 unter der Leitung des Architekten und
Bauherren Heinrich Munk, der im Geiste der Gründerzeit den rasant
steigenden Bedarf der boomenden Wirtschaftsmetropole an
palastähnlichen Wohnungen für das Großbürgertum und die Aristokratie
bediente.
Die Wahl der Quellen für die Hausbiografie ist beredt. Neben Akten
der Bauaufsicht, des Grundbuchamtes und alten Adressbüchern gewähren
Zeichnungen, Gemälde und Fotografien durch die Zeitenläufe einen
intimen Einblick in das Eckhaus. Persönliche Erinnerungen ergänzen
die Dokumente und parallel dazu verweist die Autorin auf die
Biografie des jüdischen Kulturkritikers und Schriftstellers Hans Sahl. In seiner Kindheit lebte Sahl von 1912 an fünf Jahre in der
Nummer 50 und in den 20er Jahren fuhr er täglich den Kurfürstendamm
entlang. Nach seiner Flucht vor den Nazis, 1933, kehrte er in den
50er Jahren aus dem Exil für kurze Zeit zurück und besuchte seinen „Kindheitsort“,
der in dem Roman „Hausmusik“, den er, zurück in den USA, 1980,
herausbrachte, zum Ort der Handlung wurde.
Die „anspruchsvolle Diva“, wie Zöbl das Haus halb kritisch halb
liebevoll nennt, wird durch die Augen seiner unterschiedlichen
Mieter Zeuge des industriellen Aufschwungs, der bewegten 20er, des
Horrors der NS-Herrschaft, des Wiederaufbaues, der aufblühenden
Modemeile im West-Berliner Zentrum, der 68er Straßenschlachten
zwischen Studenten und der Polizei ...
In dem 248 Seiten umfassenden, chronologisch aufgebauten Band mit
ausführlichem Quellenverzeichnis und Personenregister lässt sich ebenso
gezielt suchen, wie er mit zahlreichen nostalgischen
Schwarz-Weiß-Fotografien, neueren Farbfotos, Grundrisszeichnungen,
Karikaturen, und Gedichten zum Blättern und Stöbern einlädt. (HK)
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