Karl Scheffler
"Die fetten und die mageren
Jahre"
Ein Arbeits- und Lebensbericht
Nimbus-Verlag. Kunst und Bücher, 2011
Karl Scheffler (1869-1951) hat die Großen der Berliner Architektur-
und Kunstszene gekannt; ja er muss, nach seinen intimen Porträts zu
urteilen, bei ihnen ein- und ausgegangen sein. Etwa bei dem
Architekten und Designer Henry van de Velde, der im Berlin des
beginnenden 20. Jahrhunderts in fortschrittlichen Künstlerkreisen
ein Star war. Bei ihm zu Gast, saß man in seinen Möbeln, aß von
seinem Geschirr; selbst der Schmuck und Kleiderzierrat der
anwesenden Damen stammte aus seinen Werkstätten. Harry Graf Kessler,
Schriftsteller, Mäzen, Kulturpolitiker, Vizepräsident des Deutschen
Werkbundes und schließlich auch Propagandist der van de Veldeschen
Kunst, ließ sich von dem Belgier seine Wohnung in der Köthener
Straße einrichten, bis hin zu den einheitlichen Buchrücken. Unter
den aus großer Nähe geschilderten Architekten finden sich noch Peter
Behrens und Hans Poelzig, auch Heinrich Tessenow, dessen
Umgestaltung von Schinkels Neuer Wache im Detail berührend
geschildert wird, vor allem aber August Endell. Für den als leicht
verletzlich und misstrauisch beschriebenen Schöpfer der
Jugenstil-Fassaden in den Hackeschen Höfen, dessen Formen etwas
„Maurisches, Ostasiatisches und Hieroglyphisches“ hatten, hielt
Scheffler, der einer der wenigen war, die Zugang zu „diesem reinen,
unbequemen Menschen“ hatten, 1925 die Totenrede.
Wunderbare Menschenbeschreibungen, psychologisch tief, durchaus
kritisch aber nie vernichtend sind auch über die Berliner Maler zu
lesen, allen voran über die von Scheffler in eigenen Monographien
gewürdigten Adolf Menzel und Max Liebermann. Letzterem hat er eine
Vorliebe abgeschaut, die auch von dem Begründer der Berliner
Bildhauerschule, Johann Gottfried Schadow, überliefert ist: das
Berlinern. Einem weiteren Maler, dem Märker Karl Hagemeister, den
Scheffler bei sich auch „Wildtöter“ oder „Falkenauge“ nannte, ist
das vermutlich schönste und intimste Porträt des Bandes gewidmet.
Die Kennzeichnung zweier Kollegen aus der Kulturpublizistik macht
den empathischen Charakter der Schefflerschen Kritik deutlich. Den
Artikeln Hans Mackowskys, die dieser große Kenner der Berliner
Architektur und Kulturgeschichte für Bruno Cassirers
Monatszeitschrift, „Kunst und Künstler“, verfasste, deren
Chefredakteur Scheffler selbst war, bescheinigt er, lauteres Gold
gewesen zu sein, der Person Mackowskys hingegen einen „Menzel-Zug“,
d.h. eine abwehrende Angriffslust, wie sie körperlich-kleinen
Männern häufig zu eigen sei. Und die Schilderung seines durchaus
zwiespältigen Verhältnisses zu dem Journalisten und Herausgeber der
Zeitschrift „Zukunft“, Maximilian Harden, beschließt er mit dem
Satz: „Am Ende bleibt eine Verwunderung, die sich von Bewunderung
nicht trennen lässt.“
Der Schatz dieses gut 400-seitigen autobiographischen
Lebensberichtes sind die äußerst einfühlsamen Charakterisierungen
der herausragenden Akteure der Berliner Kunstwelt im ersten Drittel
des 20. Jahrhunderts. Davon ausgeschlossen blieb die künstlerische
Avantgarde nach dem Ersten Weltkrieg, die dem konservativen
Publizisten zeit seines Lebens fremd blieb. Der Band ist mit einer
Zeittafel zu den Lebensdaten Schefflers und mit einem
umfangreichen Personenindex ausgestattet.
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