Bröhan Design Foundation
Wilhelm Deffke. Pionier des modernen Logos
Scheidegger & Spiess, 2014
Einunddreißig Signetentwürfe für die Berliner
Gallus Druckerei KG, allesamt Hähne, füllen eine ganze Seite des
Bandes und veranschaulichen die Arbeitsweise des Künstlers. Von
großer Bildhaftigkeit mit Schnabel, Kamm und Schwanz, mit Krallen
und Sporn bewegen sich die Vorschläge zu einem suggestiven, immer
abstrakteren Gestus. Wilhelm Deffke (1887-1950), der Meister und
große Pionier der Handelsmarken und Fabrikzeichen, der Signets und
Logos, nennt als Voraussetzungen für ihre Wirksamkeit „größte
Knappheit der Form, kraftvolle Schönheit und eigenartige
Erfindung“. Aber ist ein künstlerisch wirkungsvolles Signet auch
verkaufsfördernd? Bei seiner Tätigkeit für die Druckerei und
Verlagsanstalt Otto Elsner AG in der Kreuzberger Oranienstraße –
das Elsnerhaus unweit des Moritzplatzes steht heute noch – traf
Deffke auf seinen späteren Geschäftspartner Carl Ernst Hinkefuß.
Nachdem sie mitten im Ersten Weltkrieg eine der ersten modernen
Werbeagenturen Deutschlands, das Wilhelmwerk, gegründet hatten,
zerbrach ihre Zusammenarbeit an eben dieser Frage nach der
Vereinbarkeit von Kunst und Nützlichkeit.
Für Elsner entwarf Deffke mit dem sogenannten Elsner-Schlüssel
eines seiner ersten Signets: ein stilisiertes „e“ in
Frakturschrift steht mit dem gerade nach unten verlängerten Bogen
auf einem gekippten quadratischen Feld, dem ein weißer
Buchdruckergreif in einem Kreis eingeschrieben ist; den Abschluss
bildet ein weiteres gekipptes, deutlich kleineres Quadrat.
Die schwierige Akquisition von Aufträgen bleibt ein Lebensthema
des Mannes, der im Berliner Adressbuch nacheinander als Maler,
Radierer, Batiker und Grafiker und Architekt firmiert. Unterstützt
und gefördert wird Deffke bezeichnender Weise von Bauhaus-Leuten.
Walter Gropius lobt: „…Ihre Absicht von vornherein neuen Gedanken
mutig die Tür zu öffnen, ist ja gerade das, was wir jungen
bildenden Künstler brauchen …“ und auf Empfehlung des Magdeburger
Stadtbaurats, Bruno Taut, erschließt sich Deffke in dieser Stadt,
nach Berlin, ein zweiter Lebensmittelpunkt: Mitte der 20er Jahre
übernahm er die Leitung der Ausstellung Der Zucker, wenig später
die Direktion der Magdeburger Handwerker- und Kunstgewerbeschule,
die er auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder innehatte, ebenso
wie die Gestaltung der Wiederaufbauausstellung Magdeburg lebt,
unter dem Signet eines sich aus den Flammen aufschwingenden roten
Phönix.
Über 4000 Logoentwürfe von Wilhelm Deffke sind überliefert: die
berühmtesten sind das für die Zigarettenfabrik Reemtsma aus dem
Drachenkopf vom Bugsteven eines Wikingerschiffes stilisierte
Bildzeichen, eines der langlebigsten der deutschen
Markengeschichte im 20. Jh., und der dem pommerschen Wappentier
nachgebildete rote Greif, dem Signet für die Likörfabriken
Rückforth AG in Stettin. Das Buch zeichnet die frühen Schritte
Deffkes auf dem Weg zum Corporate Design nach, das er schon
1909/10 als künstlerischer Mitarbeiter im Atelier von Peter
Behrens entstehen sah und das mit der Gestaltung der
Firmenschriften, einem neuen Produktdesign bis hin zur Architektur
der Produktionsstätten die gesamte Unternehmenskultur der AEG
erfassen sollte.
Die Bröhan Design Foundation – ihr Leiter ist der Sohn des
Stifters des Charlottenburger Bröhan Museums – bietet mit diesem
vorzüglich illustrierten, knapp 400 Seiten starken Katalog, der
eine erste, nach kunsthistorischen Gesichtspunkten aufgearbeitete,
Monografie über Wilhelm Deffke darstellt, einen mitreißenden
Einblick in die Frühzeit dieser Kunstwelt zwischen Bild und
Buchstabe, in der sich die Idee der wirtschaftlichen Nützlichkeit
des Designs durchsetzte und das Laboratorium entstand, in dem sich
die heutige digitale Kommunikation entwickelte. (ak)
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