Bernd
Sösemann und Gregor Vogt-Spira (Hg.)
Friedrich der Grosse in Europa
Geschichte einer wechselvollen Beziehung
Franz Steiner Verlag, 2012
(2 Bände)
Wir kennen Friedrich II.
von Preußen, auch Friedrich der Große oder gar liebevoll der „alte
Fritz“ genannt, einerseits als großen Kriegsherren und vielleicht
wichtigsten Monarchen des 18. Jahrhunderts und andererseits als frankophilen Mäzen von Literatur und Freund klassischer Musik. Ob
von Verehrern, die sein 300-jähriges Jubiläum zum Anlass für die
Aufzählung seiner „Helden“-Taten nutzen oder von Kritikern, die
Rezeption des Preußenkönigs stützt sich zumeist auf die wenig
kritische und sehr populäre Befassung im Rahmen einer Politik- und
Herrschaftsgeschichte, die den zeitgenössischen höfischen
Idealisierungen, Vereinnahmungen oder Polemiken weitgehend folgt.
Der Herausgeber und Historiker Bernd Sösemann, spezialisiert auf
Kommunikationsgeschichte, lenkt den Fokus auf die mediale Person
Friedrich des Großen, dessen politisches Geschick nicht zuletzt in
der Nutzbarmachung von öffentlicher Stimmung und der Verwendung
gedruckter Medien bestand, die er zum Teil selbst in Form von
Berichten und Artikeln beisteuerte.
Jenseits von „nationaler Begeisterung“ und über die Darstellung
einer Bilanz bereits gewonnener Einsichten hinausgehend, liegt das
Hauptaugenmerk des Doppelbandes auf neuen Fragestellungen und
Interpretationen, die sich aus der Interdisziplinarität des
Autorenkollektivs ergeben. Die einzelnen Beiträge stammen von
Wissenschaftlern aus 40 verschiedenen akademischen Einrichtungen in
acht europäischen Ländern. Sie sind nicht auf der Suche nach einem
einhelligen Bild des Monarchen, liefern keine in sich geschlossene
Interpretation, sondern eher ein Mosaik verschiedener Betrachtungen,
wie es sich aus der Zusammensicht von Disziplinen wie der
Historiografie, Kunstgeschichte, Altphilologie, Germanistik,
Philosophie und Publizistik ergibt.
Drei Jahre, von 2008 bis 2011, nahmen die Arbeiten an dem
Gemeinschaftsprojekt in Anspruch.
Der Titel der zwei Bände: „Friedrich der Große in Europa“ offenbart
einen weiteren methodischen Ansatz: nicht die Einheit Europas liegt,
wie man es heute annehmen könnte, im Zentrum, sondern die Vielzahl
der Sichtweisen auf den preußischen König wie sie sich aus den
beträchtlichen Unterschieden zwischen West- und Mitteleuropa und
zwischen den verschieden großen Staaten ergeben. Selbst innerhalb
Preußens unterschieden sich die Regionen beträchtlich in ihrer
sozioökonomischen Struktur und machen Pauschalaussagen unmöglich.
Entsprechend dieser Erkenntnis verfolgen die einzelnen Beiträge
verstärkt die Perspektive von „unten“, die der Bauern, Handwerker
und Bürgerlichen, die im Unterschied zu der geschliffenen Geschichte
von „oben“ der Staaten, Höfe und Potentaten keine zeitgenössische
Lobby hatten und deren Geschichte deshalb als weitgehend unerzählt
und nicht festgeschrieben gelten kann.
Auf gut 1000 Seiten entwickeln die Autoren in sechs Kapiteln ihre
Fragestellungen zur Selbstinszenierung des Königs, zu Kultur,
Öffentlichkeit, Recht und Gesellschaft in Preußen, zum preußischen
Militärstaat und seiner merkantilistischen Wirtschaftspolitik und zu
den verschiedenen
Preußenbildern und ihren Instrumentalisierungen. Der Anhang
versammelt statistische Daten, historische Orientierungen und eine
ausführliche Bibliografie. Beide Bände schließen mit einer Reihe von
Farbtafeln. (hkl)
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