Sibylle Plogstedt
Knastmauke.
Das Schicksal von politischen Häftlingen der DDR
nach der deutschen Wiedervereinigung.
Psychosozial-Verlag, 2011
Warum geht es den schätzungsweise 200 000 bis
250 000 ehemaligen politischen Häftlingen der DDR, die mit ihrer
Haltung und ihren Taten maßgeblich zum Fall der Mauer beigetragen
haben, heute so schlecht, warum ist ihre soziale Stellung so prekär?
Das unter den Häftlingen gebräuchliche Wort „Knastmauke“ bezeichnet
lautmalerisch und nachfühlsam die Zermürbung, den besonderen
psychischen Zustand, der sich nach langer Haft einstellt. Ähnlich
wie bei der Unkultur des Wegschauens und Vergessenes nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges sieht die Autorin, die aus eigener
Hafterfahrung weiß, wovon sie spricht, im Umgang mit den
Geschädigten des DDR-Regimes große Versäumnisse.
Ihre hier vorliegende „Essener Studie“ besteht aus einer
qualitativen Auswertung von 30 geführten Interviews mit Betroffenen,
Angehörigen und Spezialisten, sowie aus der quantitativen Auswertung
von 802, von ehemaligen politischen Gefangenen ausgefüllten,
Fragebögen.
Neben der Analyse der unterschiedlichen Haftbedingungen vor 1970,
als physische Folter an der Tagesordnung war und dem Wechsel hin zu
psychischer Folter in den 70er und 80er Jahren wird untersucht, wie
sich die Tatsache ausgewirkt hat, ob die Häftlinge in die BRD
entlassen worden sind oder weiter in der DDR bleiben mussten.
Besonderes Augenmerk gilt der Arbeitssituation, mit der die
Häftlinge nach ihrer Entlassung konfrontiert waren. Die
marginalisierte Situation, die die Betroffenen in der DDR erdulden
mussten, scheint sich in der BRD fortgesetzt zu haben. Beim
Bearbeiten der erlittenen Traumata wie bei dem Versuch, auf dem
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, wurden sie auch von der BRD-Regierung
weitgehend im Stich gelassen.
Das Ziel der Arbeit war die Untersuchung der Langzeitfolgen von
Haftbedingungen auf die körperliche und psychische Gesundheit von
politischen Gefangenen in der DDR, sowie der gesellschaftliche
Umgang mit den ehemaligen Häftlingen im wiedervereinten Deutschland.
Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der jüngsten
deutschen Geschichte und wendet sich gegen die gängige Praxis, die
Opfer mit ihren Problemen alleine zu lassen. (hkl)
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