Arnold Körte
Martin Gropius
Leben und Werk
eines Berliner Architekten 1824-1880
Lukas Verlag, 2013
Die in der Ziegelstraße am nördlichen Spreeufer
liegenden Klinikbauten der Charité, das Krankenhaus am
Friedrichshain, das mit farbiger Majolika verzierte Gräfe-Denkmal,
Ecke Schumann- und Charitéstraße und vor allem der aus dem
ehemaligen Kunstgewerbemuseum hervorgegangene Martin-Gropius-Bau
sind die stadtbildlichen Höhepunkte unter den noch erhaltenen Werken
der Sozietät Gropius & Schmieden. Nach den Kriegszerstörungen und
dem drohendem Abriss wurde die Ruine des Kunstgewerbemuseums
wiederaufgebaut und 1981, hundert Jahre nach seiner Errichtung,
wiedereröffnet. Doch erst nach dem Fall der Mauer, die das
Ausstellungshaus nahezu erdrückte, hat das majestätische Gebäude
seinen Haupteingang an der Niederkirchner Straße und damit seine
alte Wirkung zurückgewonnen.
Martin Gropius, der Karl Friedrich Schinkel noch persönlich gekannt
hatte, gehörte wie sein Partner Heino Schmieden zur Enkelgeneration
des großen preußischen Baumeisters und zu den Bewahrern der
Schinkelschule. Mit ihrem weitgehenden Verzicht auf prunkvolles
Äußeres galten Gropius & Schmieden gegen den Zeitgeschmack als echte
Vorläufer der Moderne.
Die ersten Aufträge, Villen für den Seidenfabrikanten J.A. Heese und
für den Bankier und Bismarck-Intimus Gerson Bleichröder oder, nach
August Sollers Tod, der Innenausbau der St. Michaelkirche, datieren
aus den späten 50er und frühen 60er Jahren und wurden noch von
Gropius allein ausgeführt, dessen Zusammenarbeit mit Heino Schmieden
erst 1866 begann. Gropius legte auch einen eigenen Entwurf für die
benachbarte Thomaskirche am Mariannenplatz vor, konnte aber in
seinem Berufsleben tatsächlich nur zwei Sakralbauten, eine
Dorfkirche im brandenburgischen Diedersdorf und eine Anstaltskapelle
in Eberswalde realisieren.
1871 verließ der Architekt mit seiner Familie das zusammen mit
weiteren Mitgliedern der Gropiusschen Großfamilie bewohnte und von
ihm 1865 gebaute Haus in der Georgenstraße 37 und zog in „die
vielleicht landschaftlich reizvollste aller Berliner Straßen und
Gassen“ Am Carlsbad. Hier in dieser noch ländlich geprägten, ganz
jungen Stadtlandschaft, wunderschön geschildert anhand
zeitgenössischer Feuilletons und einer Zeichnung Adolph Menzels,
baute Gropius sein eigenes Wohn-, Büro- und Mietshaus. Nicht weit
davon, am Lützowplatz, errichtete drei Jahre später Heino Schmieden
sein Wohnhaus.
In der mit exquisiten Wohnhäusern bebauten und direkt am Tiergarten
anliegenden Lennéstraße gelang Gropius mit dem Um- und Ausbau des
Wohnhauses für den Landrat und Rittergutsbesitzer Dr. Rudolph
Friedenthal ein besonders prestigeträchtiges Projekt.
Das allein durch die Auswahl verschiedener Baumaterialien fröhlich
und vielfarbig wirkende Haus lag in der unmittelbaren Nachbarschaft
der Bauten so großer Architekten wie Ludwig Persius oder August
Stüler. Die Häuser, die Gropius südwestlich des Lennédreiecks in der
Viktoriastraße baute, einer Verbindung zwischen der heutigen
Tiergartenstraße und dem Reichpietschufer, folgten einer
Erstbebauung mit Villen und eleganten Mietshäusern durch F. Hitzig
und entsprachen einer Vision vom Tiergartenviertel als vornehmer
Gartenstadt.
Die Geschichte der Gropiusschen Familiengrabstätte auf dem
Kreuzberger Dreifaltigkeitsfriedhof in der Bergmannstraße, die zu
den knapp zehn erhaltenen Denkmalen und Bauwerken von Gropius
gehört, geht auf das Todesjahr seiner ersten Frau, 1863, zurück.
Gropius hatte für sie einen leichten, luftigen Raum unter einer auf
Säulen ruhenden Pergola entworfen. Dieser Charakter ist der wenig
gepflegten, von einem Schutzdach beschatteten und zwischen
Friedhofswand und nachbarlicher Gruft eingezwängten Stätte nicht
mehr anzusehen, obwohl sie als Ehrengrab des Landes Berlin unter
Denkmalschutz steht.
Die mit reichem Fotomaterial ausgestattete, knapp 600-seitige
Monographie ist nach Werkgruppen – Wohnhäusern, Krankenhäusern,
Universitäts- und Bibliotheksbauten, Herrenhäusern und Schlössern,
Bank-, Handels- und Geschäftshäusern, Inneneinrichtungen,
Kunstgewerbe und Skizzenbüchern – geordnet. Vielleicht wegen der
intimen Kenntnis und des Zugangs zu privaten Nachlässen und Briefen
des verwandtschaftlich mit der Familie des Architekten verbundenen
Autors liest und betrachtet sich der Band wie ein höchst lebendiges
stadtgeschichtliches Porträt.
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