Laurenz Demps:
Berlin-Wilhelmstraße.
Eine Topographie preußisch-deutscher Macht
Auf 1000 Metern standen dicht gedrängt Institutionen, Ministerien
und Ämter, die die Wilhelmstrasse seit 1871 zum politischen Zentrum
des Deutschen Reiches und, wie Downing Street oder den Kremel, zu
einem Synonym für nationale Macht werden ließen. Mit den im Krieg
zerbombten oder bei Abrissarbeiten zerstörten Gebäuden und den groß
angelegten Neubauprojekten verlor die Straße ihr herrschaftliches
Gesicht. Das Ausradieren der NS-Physignomie im Stadtbild beendete
ein Kapitel Stadtgeschichte, das bereits Anfang des 18. Jahrhunderts
begonnen hatte.
Laurenz Demps, von 1988 bis 2007 Professor für Territorialgeschichte
von Berlin und Brandenburg an der Humboldt Universität, geht in
seinem Buch diesem vergessenen Zeitabschnitt nach. Nicht die viel
behandelten Handlungsabläufe der Politik stehen im Zentrum seiner
Betrachtung, sondern die Bühne, der Ort der Handlung. Das reich
bebilderte Werk umfasst Konstruktionspläne, alte und neue
Stadtpläne, Gemälde und Fotos die Gebäudeansichten oder historische
Ereignisse abbilden. Chronologisch aufgebaut, erzählen die Kapitel
von den ersten Adligen-Palais des beginnenden 18. Jahrhunderts,
denen die Verlagerung der preußischen Administrations- und
Regierungsgebäude in die Wilhelmstrasse folgte. Aus den Lücken
zwischen den adligen Anwesen wuchsen Bürger-Palais hervor und das
Zentrum Berlins erhielt ein geschlossenes Stadtbild. Demps füllt die
rekonstruierte Straße und ihre Gebäude mit Leben, lässt den Wechsel
ihrer Bewohner aus deren Briefen, Biographien und Anekdoten sprechen
und gewinnt so ein tiefgründiges Bild, das über
offiziell-repräsentative Schilderungen weit hinausgeht. Bettina von
Arnim’s Zeugnis Ich lebe hier in einem Paradies, mit dem sie das
Gartenidyll ihres großzügigen Palais´ beschrieb, kennzeichnet die
Atmosphäre der friedsamen, aristokratischen Straße zu Beginn des
19.Jahrunderts, der gleichen Straße, die später Mit-Schauplatz der
1848er Revolution, Machtzentrum zur Zeit der Reichsgründung und
während der beiden Weltkriege und schließlich Objekt der modernen
Stadtumgestaltung im geteilten Berlin wird.
Das reiche Bilderarchiv, die fundierten historischen Erläuterungen,
eine Aufstellung der Biographien einzelner Gebäude und vor allem die
lebensnahe Schilderung der Bewohner machen das Werk zu einem
wissenschaftlichen und spannenden Porträt zugleich, wie es der Autor
auch von anderen Berliner Straßen und Plätzen - dem Schiffbauerdamm,
der Breiten Straße oder dem Gensdarmenmarkt - vorgelegt hat.
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