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Berlinführer (mit Brandenburg) -  Kunst und Architektur -  Belletristik -  Zeitgeschichte

 

                  R E Z E N S I O N E N




 

Klaus Ferentschik und Peter Gorsen
Friedrich Schröder-Sonnenstern
und sein Kosmos

Parthas Verlag, 2013

 

Früh beginnen die Auseinandersetzungen Friedrich Schröders (1892-1982) mit den gesellschaftlichen Zwangsinstitutionen. Ein Lehrer schildert ihn „als in hohem Maße sittlich verkommenen, trotzigen, hinterlistigen, tückischen und leugnerischen Jungen …“. Der Schule folgen in turbulentem Wechsel Fürsorge, Besserungs- und Irrenanstalten, Arreste und Gefängnisse. Sein früh entwickeltes Widerstandswerkzeug sind Schalk, Scharlatanerie und Zotigkeit. Zu Beginn der 50er Jahre, ausgerüstet mit dem Namen Schröder-Sonnenstern, schafft er das Gros seines künstlerischen Werkes, das namhafte internationale Freunde und Bewunderer findet, darunter, den ihm in Eifer und Attitüde verwandten, Friedensreich Hundertwasser, die Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt und Henry Miller oder den Psychoanalytiker Erik Erikson. Das piefige Nachkriegsberlin und seine gesamte Presse verweigern den Blick in den Spiegel, den der Künstler ihnen vorhält und verhöhnen ihn als Arschmaler Sonnenstich.
Dem Leben auf dem schmalen Grat eines verlachten Künstlers, gibt die Wahrsagerin Martha Möller, die 1924 gefundene Seelenbraut Schröder-Sonnensterns, den nötigen Halt. Sie bezeugt für die Zeit nach Kriegsende sein nahezu manisches Schreiben. Er habe Tag für Tag am Tisch geschrieben und dazu, mit penetranter Stimme, Arien und Selbstkomponiertes gesungen. Das entsprach durchaus dem Selbstverständnis Schröder-Sonnensterns, der seine Bilder als bloßes Beiwerk einstufte. „Dabei sind meine Bilder doch nur die Illustrationen zu meinem literarischen Werk, zu meiner Philosophie. … Doch im Grunde bin ich Komponist.“
Nach dem Tod Tante Marthas, 1964, gerät sein Leben zunehmend aus den Fugen. Alkoholexzesse und die ins Unüberschaubare gewachsene Zahl von Schülern und Assistenten, die, die von ihm nur noch signierten Werke, kopieren, lassen seinen künstlerisch-wirtschaftlichen Höhenflug enden. Der sarkastische Kommentar eines Galeristen: „solange der signieren kann, holen die aus dieser Ruine das letzte heraus.“
Seine Gestalten, Mensch-Technik- und Mensch-Tier-Mischwesen mit starken naturmystischen Anklängen, sind Personifizierungen aus „Sonnensterns Lager der Gedanken“, die in kleinen Formaten mit runden Ecken zwischen 1949 und 1952 entstehen. Die Werke leben von dem Widerspruch zwischen zauberisch-magischer Bedeutsamkeit und deren grotesk-komischer Persiflage, die vor allem in den wundersamen Titeln aufscheint. Die Persiflage ist ein Lebensmotto, die sich auch hinter der Buchstabenfolge Salutor, einem der vielen selbst gewählten Beinamen des Künstlers verbirgt: Spinne auf Leben und Tod ohne Rücksicht.

Der illustrierte, mit sechzehn Farbtafeln, schließende Band, der das Schaffen Schröder-Sonnensterns vor dem Hintergrund seiner äußerst dramatischen Lebensumstände vorstellt, erhellt auch die bislang wenig untersuchten gesellschaftlichen Umstände, in denen sich die Kreuzberg-Schöneberger Künstlerszene der 50er und 60er Jahre entwickelt hat. Den zweiten Teil, eine Ikonologie in Umrissen oder kunstwissenschaftliche Annäherung an sein Werk, hätte der Künstler fraglos als von einer seiner Figuren inspiriert erkannt, von Theorie Zynus, Oberdämon der Verlockung oder der Verdörrung. (ak)



            



 
     
 
 

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