Vera Lourié
Briefe an Dich. Erinnerungen
an das russische Berlin
Schöffling & Co., 2014
Vera Lourié (1901-1998) ist eine der russischen Emigrantinnen und
Emigranten, die zu Beginn der 20er Jahre in großer Zahl – man
spricht von 300 000 – nach Berlin kamen. Ungleich den meisten von
Ihnen, für die Berlin nur Durchgangsstation auf dem Weg nach Paris
oder Prag war oder die schließlich in ihre Heimat zurückkehrten,
blieb die Dichterin bis zu ihrem Tod im ungeliebten Exil. In einem
ihrer Gedichte heißt es: „Auf dem kalten Asphalt von Berlin / kannst
du der Sehnsucht nirgends entgehen“.
Die Briefe, die sie in hohem Alter in deutscher Sprache an die
jüngere Frau ihres Hausarztes geschrieben hat, sind Liebesbriefe, in
die sie ihre Erinnerungen und tagebuchartigen Mitteilungen
einfließen lässt. Unter diesen Zeugnissen aus einem gelebten
Jahrhundert, der Schilderung ihrer großbürgerlichen
Lebensverhältnisse im vorrevolutionären Russland, der
Revolutionswirren, dem Vorkriegsberlin, der russischen Exilgemeinde
mit den Schriftstellern Andrej Belyj und Ilja Ehrenburg, dem Zweiten
Weltkrieg geraten die Erlebnisse der NS-Zeit am dichtesten:
wochenlange Schutzhaft bei der Gestapo, Deportation der Mutter,
Begegnung mit Mitgliedern der Roten Kapelle, eigene Bedrohung und
eigene Schuld.
Weitere Prosastücke der Dichterin und einige kurze biografische
Skizzen von Doris Liebermann, der Herausgeberin des Bandes, ergänzen
die Briefesammlung. (ak)
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