Ein schmaler, waldiger Streifen, begrenzt und etwas bedrängt von den nachbarlichen Ruderclubs in der Bismarckstraße Nr. 2 und 4, birgt die Grabstelle Kleists. Das hangartige Grundstück, das 1970 auf 4000 Quadratmeter erweitert wurde, ist halb Park, halb Brache und nicht ohne dramatische Züge. Zum Grab, auf halbem Weg zwischen Straße und See auf einer Anhöhe, führt ein
von Eibenbäumen gesäumter Weg. Es ist überraschend schlicht, keine Büste, kein Bildnismedaillon oder dergleichen, nur ein nach vorn offenes Eisengitter, der Gedenkstein mit Namen, Geburts- und Sterbedatum des Dichters, eine schöne, hohe Eiche und manchmal Blumen. Die Zeilen des Heimatdichters Max Ring "Er lebte, sang und litt / in trüber schwerer Zeit, / er suchte hier den Tod, / und fand Unsterblichkeit - Matth.6 V.12" wurden 1941
entfernt und durch den Vers "Nun, O Unsterblichkeit, Bist Du Ganz Mein"
aus dem Prinz von Homburg ersetzt - eine Art Arisierung des Denkmals, die mit den Versen des
jüdischen Dichters auch das Selbstmordthema von dem Stein entfernte. Über eine steile, gewundene Treppe gelangt man hinunter zum Wasser des Kleinen Wannsee. Nicht weit von hier befand sich vor annähernd 200 Jahren ein Ausflugslokal und Treff Berliner Künstler, in dem Heinrich von
Kleist und Henriette Vogel Briefe schreibend und Tee und Wein trinkend ihre letzten Stunden verbrachten. Wenige Jahre nach ihrem Freitod im November 1811 berichtete einer der jüngeren Grimm-Brüder, ein großer Verehrer Kleists, von einem Ring von 20 Pappeln, der beide Gräber umgeben habe. Auch von Kiefernzweigen ist die Rede, die nach einem Landesbrauch von Vorüberkommenden auf die Gräber gelegt wurden und von einer jungen kräftigen Eiche, die zwischen den Gräbern wuchs. Bald und bis auf den heutigen Tag verschwand das Grab von Henriette Vogel. Es klingt wie eine Vorahnung, wenn
sie im letzten Brief an ihren Mann schreibt: "...trenne Kleist ja nicht von mir im Tode". Auf Zeiten des Vergessens und Verwilderns der Grabstätte folgten wiederholte Versuche, dem Dichter einen würdigen Gedenkort zu schaffen. Veränderte Gitter, Steine und Inschriften - bis auf den heutigen Tag scheint über dem Grab keine Ruhe einkehren zu wollen. 1889 beschrieb Theodor Fontane
eine "viel besuchte Pilgerstätte", zu der das Kleistgrab seit der Eröffnung der Wannseebahn geworden war.
Pünktlich zu den Olympischen Spielen 1936 fand einer der vielen Renovierungstermine statt, "da die in allen Reiseführern genannte Grabstätte von zahlreichen ausländischen Gästen aufgesucht werden wird". Noch in den 50er und 60er Jahren wurde zweimal das Geburtsdatum korrigiert, der Stein gedreht
und das Gitter zum Weg
entfernt. Zum 200. Todesjahr Kleists kündigen sich mit der Ausschreibung
eines Wettbewerbes zur Neugestaltung der Grabstätte weitere Veränderungen
an. 1980 wurde an der Bismarckstraße, Ecke Königstraße, mehrere 100 Meter
vom Grab entfernt, erstmals wieder ein Hinweis auf Henriette Vogel
angebracht.
Adresse:
Bismarckstr. Nr. 2 / 4 14109 Berlin
Verbindung: S 1, S 7 Wannsee
Büchertips:
Carl-Peter Steinmann:
Von wegen letzte Ruhe.
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