Was stiftet den eigenartigen Charme der Chausseestraße 125? Der Kastanien
beschattete Hof, die Nachbarschaft der geschichtsträchtigen Friedhöfe, der
museale Restaurantkeller oder das kleinste der großen Berliner
Literaturhäuser mit seiner gewichtigen Tradition? Bertolt Brecht und Helene
Weigel waren 1953 wegen der Nähe zum Berliner Ensemble in das Hinterhaus
gezogen, das sie gemeinsam und doch getrennt bewohnten. Ihre Fenster gingen
auf den Französischen und den Dorotheenstädtischen Friedhof – ein Umstand,
der nach Brecht nicht ohne Heiterkeit war. Später gestattete sich der
Dichter den Wunsch, dort im Kreise der Großen, neben Fichte und Hegel,
begraben zu werden. Das Hinterhaus beherbergt die
Brecht-Weigel-Gedenkstätte, das oberste Stockwerk die Nachlassarchive des
Paares. 1978 eröffnete das Brecht-Zentrum der DDR, zu dem auch das
Kellerrestaurant gehörte. Es wurde in den 1990er Jahren in Literaturforum im
Brechthaus umbenannt. Sein Kleiner Saal mit großem Schaufenster und geringer
Tiefe bietet vier, direkt vor dem Vortragstisch stehenden Stuhlreihen Platz,
die für etwa vierzig Besucher ausreichen. Wenn bei größerem Andrang die Zahl
auf das Doppelte und mehr ansteigt, gewinnen die Lesungen, Vorträge und
Gespräche ihre berühmt dichte Atmosphäre.
Eingehüllt in eine Schicht aus Fotos und Bühnenbildmodellen hält der Keller
mit blanken Holztischen die Mitte zwischen gemütlicher Kneipe und
Restaurant. Wer früh am Abend kommt, kann schon mal in einen Fototermin mit
Sahra Wagenknecht hineinplatzen, die sich der auratischen Wirkung des
Brechtkellers bedient. Die Speisekarte ist von Helene Weigel inspiriert.
Viele Gerichte gehen auf die handschriftlich überlieferten Rezepte der
gebürtigen Wienerin zurück und bei einigen, wie der Paradeisersuppe mit
Speckgrammeln oder dem Vanillerostbraten, braucht mancher Gast
Interpretationshilfen; der Rostbraten erhält seinen Pfiff nicht von der
Vanilleschote, sondern vom Knoblauch, der in der österreichischen
Bauernküche als die Vanille des kleinen Mannes galt.
Adresse: Chausseestr. 125, 10115 Berlin, Tel.: +49 (0)30 2822003,
www.lfbrecht.de Verbindung: U6, Bus 142 Oranienburger Tor, Bus 245, Tram M6, M8, 12
U-Bhf. Naturkundemuseum Öffnungszeiten: Brechtkeller/Kellerrestaurant: tgl. ab 18.00 Uhr